Wie alles begann: Natur und Psychomotorik – die Geschichte einer Idee
Das Projekt Natur und Psychomotorik gibt es seit Februar 1996. Der besondere, bis dahin in Deutschland einmalige Ansatz wurde von der Erzieherin und Naturpädagogin Heike Mohr ins Leben gerufen. Seit vielen Jahren wird es von einem Team engagierter und gut ausgebildeter Pädagogen getragen.
Heike Mohr hatte bei ihrer langjährigen Arbeit in einer „klassischen“ Kindertagesstätte die Erfahrung gemacht, dass die Integration von Kindern mit sozialen Besonderheiten im Alltag der Kindergärten schnell an ihre Grenzen stieß. Auch in den Familien waren diese Probleme oft schwer zu lösen: für Kinder mit Wahrnehmungsstörungen und sozialen Integrationsproblemen gab es neben den Einzeltherapien kaum Therapiemöglichkeiten in festen Gruppen, und auch die Freizeitangebote erwiesen sich als oft nicht ausreichend, wie Heike Mohr selbst erlebt hatte: seit 1983 hatte sie in Kooperation mit Jugendämtern und dem Landeswohlfahrtsverband Hessen Pflege- und Erziehungsstellenkinder in ihrer Familie aufgenommen.
Auf der Suche nach einer integrativen Lösung, die Kinder mit ganz unterschiedlichen Voraussetzungen zusammenbringen sollte, lotete sie in zahlreichen Fortbildungen die Möglichkeiten alter und neuer pädagogischer Konzepte aus.
Die Konzepte der Naturpädagogik, die Begegnung mit dem ersten Waldkindergarten in Wiesbaden und ihre Zusatzausbildungen in der Psychomotorik brachten sie schließlich zu der Idee, diese Wege miteinander zu verbinden.
Ziel des neuen Projektes „Natur und Psychomotorik“ war die intensive Förderung und Integration von Kindern, die anderswo oft als „schwierig“ stigmatisiert werden, in eine feste Gruppe. Hier sollten sie in ihrer Besonderheit angenommen werden, begleitet von ausgebildeten pädagogischen Betreuern, die im Gegensatz zu den ehrenamtlichen Leitern etwa eines Sportvereins professionelles Verständnis für abweichend Verhaltensmuster haben.
Das neue Angebot sollte gleichzeitig die Lücken in der Freizeit am Nachmittag und an den Wochenenden schließen und wegführen vom 45-Minuten-Takt der Therapiestunden. Das integrative Konzept bot die Möglichkeit, die Kinder dort „abzuholen“, wo sie in ihrer Entwicklung stehen und sie mit spannenden Aufgaben gemeinsam und spielerisch zu fördern. Die Natur, vor allem der Wald mit seiner einerseits beruhigenden, andererseits anregenden Atmosphäre, ist wie ein Spiegel, in dem das „wirkliche Leben“ mit all seinen schönen und schwierigen Seiten aufscheint. Hier sind die Kinder fast selbstverständlich bereit, sich der Realität und ihren Problemen zustellen. Eine geradezu ideale Voraussetzung für die Integration von Kindern, die häufig im Abseits stehen und oft nur schwer in normale Vereinsarbeit zu integrieren sind.
Im Oberurseler Projekt (mit damals 8 aktiven Betreuern) spielen und lernen heute Kinder zwischen 5 und 14 Jahren gemeinsam, in heterogenen Gruppen, die gerade durch die Unterschiedlichkeit jedes Einzelnen besonders herausfordern und weiterbringen. Psychomotorische Übungen sind in die Gruppenabläufe organisch integriert und werden von den Kindern als therapeutisches Instrument nicht wahrgenommen. Spielerisch lernen sie Körperbeherrschung und Koordination – und die Integration aller Kinder in die Gruppe. Versteckte und offene Aggressionen lassen sich im Wald aus der Situation heraus bearbeiten und positiv wenden. Die Integration schwieriger oder behinderter Kinder ist eine gemeinsame Gruppenaufgabe, die sich ganz selbstverständlich aus den Spielen und Aufgaben des Tages ergibt.
Die Stunden im Wald vermitteln Erfahrungen und Erfolge, die im städtischen Alltag meist zwischen Hausaufgabenbetreuung und Therapieeinheiten untergehen. Und die Eltern können sicher sein, zweieinhalb Stunden am Nachmittag oder vier bis sechs Stunden an den Wochenenden zur freien Verfügung zu haben – ein nicht zu unterschätzender Nebeneffekt, der indirekt auch den Kindern zu Gute kommt.
Am Anfang stand nur eine feste Gruppe. Der große Erfolg und die daraus resultierende Nachfrage nach weiteren Plätzen führten schon ein Jahr später zur Entwicklung des Erlebnistageprogramms für alle Kinder, das naturpädagogische und themenspezifische Angebote macht. Die Gruppen sind hier für vier bis sechs Stunden zusammen, eine gute Voraussetzung für besonders intensive gemeinsame Naturerfahrungen.
Seit Beginn des Jahres 2000 ist „Natur und Psychomotorik“ ein gemeinnütziger Verein. Rund 15 aktive Mitglieder betreuen im Jahr zwei feste Gruppen mit je 12 Kindern und führen Naturerlebnistage und Projekte mit wechselnden Gruppen durch. Dabei ist der Kinder / Betreuerschlüssel immer 6 /1. In den wöchentlichen Gruppen wird der Betreuerschlüssel den Bedürfnissen der angemeldeten Kinder angepasst. Er kann dann je nach Bedarf bis zu 2 / 1 sein.
Mit viel Engagement über viele Jahre sind dabei: Stephanie Krüger, Anke Mohr, Heike Mohr, Simone Rieker, Eva Schrader, Ninet Vida, Clint-Marcel Mohr, Raffael Wunner, Katja Löllmann, Isabel Rudolph
Verstärkt wird das Team durch weitere Betreuerinnen, die uns jeweils für einige Jahre begleiten.
Fördermitglieder unterstützen das Projekt seit vielen Jahren, mit Ideen und auch finanziell.